Probleme mit der Mehrwertsteuersenkung für Gas und Fernwärme
"In den ersten Monaten des Jahres gehen regelmäßig die Jahresrechnungen der Energieversorger bei den Wohnungsunternehmen und Immobilienverwaltern ein. Für das Jahr 2022 gab es insbesondere wegen der Berechnung der Dezember-Soforthilfe und der Mehrwertsteuersenkungen einige Verzögerungen. Leider gilt hier nicht „Was lange währt wird endlich gut". Im Gegenteil gibt es eine Vielzahl von möglichen Abrechnungsfehlern, wie die Flut an Nachfragen zu diesem Thema belegt.
Bezogen auf die Umsatzsteuer hat der Gesetzgeber eine Absenkung Umsatzsteuersatz von bisher 19 % auf 7 % für die Lieferung von Gas und Wärme mit Wirkung vom 01.10.2022 bis 31.03.2024 beschlossen.
Die Absenkung erstreckt sich dabei nicht nur auf den Arbeitspreis, sondern auch auf den jeweils vereinbarten Grundpreis. Nach den Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums im Rundschreiben vom 25.10.2022 (GZ: III C 2 -S 7030/22/10016 :005) gilt der ermäßigte Steuersatz auch für die Lieferung von Biogas oder die Lieferung per Tanklastwagen und sogar für das Legen von Gas-Hausanschlüssen.
Bei der Wärmelieferung wird vom Bundesfinanzministerium jedenfalls eine sehr weite Auslegung des Merkmals der "Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz" vertreten. In dem Rundschreiben wird dies als jede Lieferung der Wärme aus einer Wärmeerzeugungsanlage definiert. Daher dürften auch Fälle der Nahwärme und „Contracting-Anlagen" von dem ermäßigten Steuersatz profitieren.
Aufgrund der zeitlichen Befristung und des Änderungszeitpunkts zum 01.10.2022 ergeben sich umfangreiche Probleme hinsichtlich Auswirkungen der Steueränderungen. Vom Grundsatz her ist jeweils der Steuersatz in der Rechnung anzuwenden, der zum Ende des Leistungszeitraums gegolten hat. Dies wäre bei einer Jahresrechnung für 2022 der Steuersatz zum 31.12.2022 und damit 7 %.
Von einigen Versorgern wird jedoch nach dem sogenannten Zeitscheibenmodell abgerechnet. Dabei wird eine Aufteilung des Lieferzeitraums bis zum 30.09.2022 mit einem Steuersatz von 19 % und ab dem 01.10.2022 mit 7 % in der Rechnung aufgeführt.
Das Bundesfinanzministerium hat in seinem Rundschreiben nochmals bestätigt, dass es grundsätzlich beide Modelle (Stichtagsmodell und Zeitscheibenmodell) akzeptiert. Es hat darüber hinaus mitgeteilt, dass es auch ein Hybridmodell dahingehend akzeptiert, dass für die Jahre 2022 und 2023 das Stichtagsmodell zur Anwendung kommt und im Jahr 2024 dann das Zeitscheibenmodell. Dadurch würde die maximal mögliche Umsatzsteuerermäßigung erreicht.
Leider machen einige Energieversorger davon keinen Gebrauch und wenden für das Jahr 2022 das Zeitscheibenmodell an. Gerade für die Wohnungswirtschaft ergibt sich daraus ein erheblicher Nachteil, da die Vermietung von Wohnraum umsatzsteuerfrei ist und daher keine Möglichkeit zum Umsatzsteuervorabzug besteht. Demzufolge wirkt sich diese Entscheidung der Energieversorger erheblich zulasten der Wohnungsunternehmen und ihrer Mieter aus.
Die beste Begründung der Energieversorger, die sich für das Zeitscheibenmodell entscheiden, ist noch, dass ihre Software eine andere Abrechnung nicht vorsieht. Es stellt sich aber die Frage, ob der Kunde ein solches Argument gegen sich zählen lassen muss.
Es spricht einiges dafür, dass der Energielieferungskunde aus dem Energielieferungsvertrag einen Anspruch auf „Bestpreisabrechnung" in Bezug auf die Umsatzsteuer hat. Zunächst kann die Ansicht vertreten werden, dass es sich bei den Energielieferungsverträgen jeweils um Nettopreisvereinbarungen handelt. Die Preise werden in der Regel als Nettopreise zuzüglich diverser Umlagen berechnet und auf der Grundlage von Preisänderungsvereinbarungen angepasst. Jeweils auf das Ergebnis wird dann die gültige Umsatzsteuer aufgeschlagen. Jedenfalls bei Nettopreisvereinbarungen dürfte ein Anspruch auf das jeweils günstigste Abrechnungsmodell für die Umsatzsteuer bestehen.
Darüber hinaus finden sich in den Energielieferungsverträgen jeweils Klauseln, nach denen neu entstehende Steuern und Abgaben dem Kunden weiter belastet werden dürfen. Diese Klauseln sind in der Regel (jedenfalls, wenn sie wirksam sein sollen) so ausgestaltet, dass auch der Wegfall oder die Verringerung von Steuern und Abgaben weitergereicht werden müssen. Auch aus dieser Steuer- und Abgabenklausel ergibt sich damit ein Anspruch auf die „Bestpreisabrechnung".
Soweit solche Vereinbarungen in den Energielieferverträgen nicht enthalten sind, kann man sich auf die allgemeinen Regeln des Schuldrechts im BGB stützen. Dort heißt es in § 241 Abs. 2: „Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten."
Es spricht also vieles dafür, dass es einen Anspruch auf die Korrektur einer fehlerhaften Rechnung in Bezug auf den Mehrwertsteuersatz gibt. Der Wohnraumvermieter sollte daher auf die Anwendung des Stichtagsmodells bei der Umsatzsteuerberechnung für 2022 bestehen.
Hier ist zu berücksichtigen, dass der Vermieter nach dem betriebskostenrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 556 Abs. 3 BGB) im Interesse seiner Mieter auf die Korrektur fehlerhafter Rechnungen hinwirken muss. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, im Betriebskostenprozess den Einwand des Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gegen sich gelten lassen zu müssen. Er kann dann die Kosten nicht vollständig umlegen.
Dasselbe gilt im Übrigen bei einer fehlerhaften Berechnung der Dezember-Soforthilfe oder der Preiserhöhung im Jahr 2022 auf der Grundlage unwirksamer Preisänderungsklauseln.
Wer trägt die Kosten für eine notwendige Korrektur der Heizkostenabrechnung
Wegen der zahlreichen Fehlerquellen der Energieversorgerrechnungen für das Jahr 2022 - gedacht sei nur an Änderung der Mehrwertsteuer auf Gas und Wärme oder ungeklärte Fragen zur Dezember-Soforthilfe - stellt sich die Frage, wer für die Kosten einer Korrektur einer bereits erstellten Heizkostenabrechnung aufkommen muss.
Zunächst müssen die unterschiedlichen Vertragsverhältnisse getrennt betrachtet werden.
In Mietverhältnis schuldet der Vermieter seinem Wohnraum- oder Gewerberaummieter eine korrekte Abrechnung. Liegt eine falsche Betriebs- und Heizkostenabrechnung vor, hat der Mieter einen Anspruch auf Korrektur. Er ist hingegen nicht verpflichtet, die eventuell entstehenden Kosten für eine solche Korrektur zu tragen. Der Vermieter kommt lediglich seiner Pflicht zur richtigen Abrechnung mit der Korrektur nach.
Hier schließt sich dann die Frage an, ob der Vermieter vom Abrechnungsdienst eine kostenlose Korrektur verlangen kann. Dies ist nicht der Fall, solange die Fehlerhaftigkeit der ersten Abrechnung nicht vom Abrechnungsdienst verursacht wurde. In den hier zu betrachtenden Fällen hat jedoch der Grundstückseigentümer (Vermieter) in der Regel die abzurechnenden Kosten gegenüber dem Abrechnungsdienst mitgeteilt. Der Abrechnungsdienst hat sodann lediglich die ihm zur Verfügung gestellten Daten verarbeitet. Insoweit liegt kein Fehler in der Werkleistung des Abrechnungsdienstes. Die Korrektur stellt demnach keine Nacherfüllung der Leistungen dar, sondern eine wiederholte Leistung. Eine solche wiederholte Leistung ist zu vergüten. Demzufolge kann der Abrechnungsdienst für eine wiederholte Abrechnung, die wegen fehlerhafter Kostendaten notwendig wurde, ein Entgelt verlangen. Soweit nichts Anderes vereinbart ist, kann der übliche Preis verlangt werden. Der übliche Preis entspricht dem für vergleichbare Leistungen, also dem vereinbarten Preis für die Erstabrechnung.
Demnach entstehen durch die Korrekturabrechnung Mehrkosten für den Kunden des Abrechnungsdienstes. Zu diesen Mehrkosten kommen weitere Verwaltungskosten des Kunden als Vermieter, Hausverwalter oder WEG-Verwalter für die Erstellung und Versendung sowie Beschlussfassung über neue Jahresabrechnungen.
Bleibt zu prüfen, ob der insoweit mehrbelastete Grundstückseigentümer einen Ersatzanspruch hinsichtlich der Mehrkosten gegenüber seinem Energielieferanten geltend machen kann.
Die Antwort darauf hängt davon ab, ob in der zunächst erstellten Rechnungslegung des Lieferanten ein Vertragsverstoß zum Energieliefervertrag zu sehen ist. Hier lässt sich die Ansicht vertreten, dass sich zumindest aus den vertraglichen Nebenpflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des
Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB) ein Anspruch herleiten lässt. Diese kann auch zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB führen.
Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle allerdings auch eine Rücksichtnahmepflicht des Grundstückseigentümers gegenüber seinem Energieversorger. Im speziellen Fall resultiert eine Schadensminderungspflicht. Daraus folgt, dass der Grundstückseigentümer bei erkannten oder leicht erkennbaren Fehlern der Energieversorgerrechnung zunächst auf eine Korrektur der Energierechnung hinwirken muss und bis zur Korrektur der Energierechnung die Erstellung der Abrechnungen gegenüber den Nutzern der Immobilie zurückstellen muss.
In jedem Fall empfiehlt es sich in diesem Jahr, vor der Meldung von Kosten an den Abrechnungsdienst die Jahresrechnungen der Energieversorger gründlich zu prüfen und im Zweifel gegenüber den Energieversorgern zu beanstanden."
Quelle
Rechtsanwalt Martin Alter, 2023, zitiert nach DEUMESS e. V.: Probleme mit der Mehrwertsteuersenkung für Gas und Fernwärme, Mailing vom März 2023